Mit Fächer und Colt – Etikette im Wilden Westen – Teil 1
Gesellschaftliche Umgangsformen im Alltag, Arizona Territorium um 1870
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Lesedauer: ca. 4 Minuten.
Samstag, den 03. April 2022
Die gesellschaftlichen Umgangsformen in den Vereinigten Staaten von Amerika waren in der Gründungszeit vor allem geprägt von englischen Einflüssen.
Dazu kamen die Regeln und Gewohnheiten, die von anderen europäischen Einwanderern mitgebracht wurden, insbesondere von Franzosen, Deutschen, im Nordosten auch von Niederländern und im Südwesten von Spaniern bzw. Mexikanern.
Einige religiöse Zuwanderergruppen versuchten zwar, ihre mitgebrachten Sitten nicht mit anderen zu vermischen, für die allermeisten Amerikaner war es aber gerade das Loslösen von Traditionellem und Annehmen von Neuem, was das Leben in den USA so reizvoll machte.
Das Photostudio Maull & Polyblank aus London liefert einige zeitgenössische Photographien der damaligen Mode.
Die folgende Übersicht kommt aus dem Territorium Arizona und spiegelt die Etikette im Wilden Westen um 1870 wieder.
Diese und weitere interessante Begebenheiten im Buch!
In seinem neuen Buch Spotlights On American History, beleuchtet der Autor Wolfgang Horst Reblinsky in insgesamt 45 Kapiteln, besondere Begebenheiten der amerikanischen Geschichte, die nicht in jedem Geschichtsbuch zu finden sind.
Das Motto des Buchs lautet:
“Hinter der amerikanischen Geschichte stehen Menschen und hinter diesen Menschen stehen deren Geschichten.”
Zur BuchvorstellungEtiquette für die Lady und den Gentleman
Arizona Territory 1870
In einem kurzen Video-Clip, haben wir die Etiquette-Regeln des Arizona Territory für Euch zusammengefasst. Rancher Chet McCay führt seine zukünftige Frau Gill zum Abendessen in der Frontier Tavern von Beaver Creek Valley aus.
Vielen Dank an Robert Neuber, von der Panorama Videoproduktion für die bewegten Bilder!
Die Regeln der Etikette im Wilden Westen im Überblick
Gehen als Paar
Die Dame geht rechts an der Hand oder am Arm des Herrn. Die Hände sollten dabei mindestens auf Hüfthöhe sein. Die rechte Hand der Dame hebt dabei das Kleid etwas vom Boden ab. Die linke Hand des Herrn ruht an der Seite oder auf seinem Rücken.
Ein Fahrzeug verlassen
Ein Fahrzeug (z.B. Kutsche, Eisenbahnwaggon) verlässt die Dame erst, wenn ihr Herr oder ein Bediensteter ihr die Türe geöffnet hat und beim Aussteigen behilflich sein kann. Die Türe wird erst geöffnet, wenn der Herr sich überzeugt hat, dass der Dame ausserhalb des Fahrzeugs keine Gefahr droht (Gesindel, Verkehr, hochgewirbelter Schmutz etc.).
Ein Gebäude oder Raum betreten / verlassen
Beim Betreten oder innert eines sicheren Gebäudes hat die Dame Vortritt.
Beim Betreten eines unsicheren Raumes, zB. eines Foyers oder Lokals und immer beim Verlassen eines Gebäudes, geht der Herr voraus, sichert und hält der Dame dann die Türe auf; die Dame drängt nicht hinter dem Herrn her sondern wartet, bis er die Sicherung durchgeführt hat.
Auf der Treppe
Sollte es einem Paar nicht möglich sein, nebeneinander (die Dame auf den rechten Arm des Herrn gestützt) eine Treppe hinauf oder hinunter zu schreiten, so gilt:
Hinauf geht erst die Dame, der Herr eine Stufe hinter ihr.
Hinab geht erst der Herr, die Dame eine Stufe nach ihm.
Grund: Sollte die Dame auf den Rocksaum treten und stolpern, kann der Herr sie so auffangen.
Begrüßung / Verabschiedung
Zur damaligen Zeit begrüsste man zuerst den Herrn und dann die Dame.
Zur Begrüssung einer wohlbekannten, vertrauten Dame ist ein angedeuteter Handkuss durch den Herrn üblich. Sollte die Dame nicht so vertraut sein ist es angemessen, die Hand zu reichen und durch Nicken eine Verbeugung anzudeuten.
Eine Dame wird in gleicher Situation die Hand reichen und einen leichten Knicks machen.
Bei der Verabschiedung gilt das ebenfalls.
Bei Tisch
Die Sitzordnung gebührt, dass die Dame immer rechts von ihrem Begleiter sitzt.
Wenn man bereits am Tisch Platz genommen hat und es kommen weitere Tischnachbarn dazu, dann steht der Herr zur Begrüßung auf, die Dame bleibt sitzen.
Möchte eine Dame vom Tisch aufstehen, signalisiert sie dies ihrem Begleiter. Dieser erhebt sich und rückt ihren Stuhl zur Seite; beim Hinsetzen rückt er den Stuhl zurecht. Falls die Dame alleine ist, übernimmt ein Tischnachbar diese Tätigkeit aus Höflichkeit und Ehrerbietung.
Die Herren sollten stets bemüht sein für das leibliche Wohl der Damen zu sorgen.
Getränke werden einer Dame immer von einem Herren an den Tisch gebracht, wenn sie nicht von einem Kellner serviert werden.
Wenn die Speisen nicht serviert werden, können die Damen sich ihre Speisen am Buffet aussuchen und mitnehmen oder der Herr begleitet die Dame, legt ihre Auswahl auf und trägt den Teller zu ihrem Platz.
Fällt einer Dame etwas herab, sollte sich stets ein Herr finden, der sich geehrt fühlt, den Gegenstand aufzuheben.
Fortsetzung folgt…
Im nächsten Teil der Reihe “Mit Fächer und Colt – Etikette im Wilden Westen”, widmen wir uns festlichen Bällen und gehen auch auf die geheime Fächersprache der Damen ein!
Wolf H. Reblin – Beaver Creek Pioneer
Über den Autor
Wolfgang Horst Reblinsky
a.k.a.
Mr. Wolf H. Reblin, Esq., Arizona Justice of the Peace
Er befasst sich seit vielen Jahren sowohl mit der Geschichte der amerikanischen Besiedelung als auch mit der Zeit zwischen 1920 und 1980.
Dazu veröffentlicht er Artikel im Magazin für Amerikanistik, im Gasoline-Magazine und hier im Beaver Creek Pioneer.
Seine historische Darstellung betreibt er als Friedensrichter im Territorium Arizona um 1870 als Wolf H. Reblin zusammen mit seiner Frau Eliza B. (Holl) Reblin.