Old West Cooking – Spruce Beer
Fichtenspitzen – Vom Baum zum Bier
Lesedauer: ca. 6 Minuten.
Dienstag, den 06. Juli 2021
Wenn im Frühling die Temperaturen langsam wieder steigen und die Pflanzen anfangen ihre Blätter und Blüten auszubilden, dann ist auch für den Brauer die perfekte Zeit um Bier anzusetzen. Das Rezept, das wir hier vorstellen, hat jedoch nichts mit Hopfen und Malz zu tun, sondern basiert auf den jungen Trieben der Fichte.
Auch ich habe den Frühling genutzt, um mich einem langersehntem Projekt zu widmen – der Herstellung von Spruce Beer.
Bereits zu Kolonialzeiten, diente die Fichte als wichtiger Vitamin-C Lieferant und ist auch heute noch in vielen traditionellen Gerichten zu finden. In einer einfachen Schritt für Schritt Anleitung kommst auch du zu deiner eigenen Abfüllung eines leckeren “Spruce Beer”.
Die Geschichte des Spruce Beer
Bereits in 1536 trank der französische Entdecker Jacques Cartier einen Tee von einem Nadelbaum, den die Sankt-Lorenz-Irokesen Aneda nannten. Der Tee lieferte eine erstaunlich hohe Menge an Vitamin-C, welches vor allem an Bord von Schiffen fehlte und dadurch zu Skorbut führen konnte.[1] Doch wer gibt sich auf lange Sicht mit Tee zufrieden, wenn es auch Bier sein kann?
Die Britische Royal Navy nutzte im 18. Jh. diese Erkenntnis und fügte Fichtenzweige an die vorhandenen Schiffsladungen an Bier hinzu, um sich vor der Krankheit zu schützen.[2]
Der französische Entdecker Jacques Cartier.
Alkoholhaltiges Spruce Beer war vor allem in den Dreizehn Kolonien Amerikas, sowie Ost-Kanada weit verbreitet. Dieses Bier wurde vor allem mit Rot- oder Schwarzfichte angesetzt.[3]
Eine illustre Runde in einer charakteristischen Taverne – John Greenwood 1755
Fichten sind immergrün, das heißt sie verlieren im Winter ihre Nadeln nicht. Gerade das war damals ein enormer Vorteil, da die Herstellung des Bieres beinahe zu jeder Jahreszeit möglich war.
Junge Fichtentriebe – Im Frühling lohnt sich das Sammeln!
Gerade zur Frühlingszeit, Ende Mai, Anfang Juni, bildet die Fichte junge Triebe aus, die besonders intensiv schmecken. Dieses Aroma will man definitiv im Bier haben. Die Triebe können theoretisch direkt vom Baum genascht werden, sie schmecken leicht säuerlich und sind ein guter Energielieferant.
Doch Vorsicht! Kenne deinen Baum!
Bevor man sich zum Sammeln aufmacht, sollte man sicher sein, dass es sich bei der Ausbeute auch um die Triebe der Fichte handelt. Als einen Kandidaten, mit dem man die Fichte verwechseln kann, wird immer wieder die hochgiftige Eibe aufgeführt. Wenn man die beiden Gewächse jedoch direkt vergleicht, sieht man einen definitiven Unterschied. Ein bebilderter Pflanzenführer schafft hier Sicherheit. Wird die Fichte mit den sehr ähnlichen Tannen verwechselt, ist das nicht weiter tragisch, denn auch deren Triebe sind essbar.
Die hochgiftige Europäische Eibe (links) und die essbare Fichte mit jungen Trieben (rechts)
Zum Brauen von etwa 8l Bier, habe ich etwa vier Hände voll Fichtenspitzen gesammelt und dabei darauf geachtet, an den jeweiligen Ästen gleichmäßig abzuernten, um den Baum nicht zu sehr zu belasten.
Die jungen Triebe der Fichte.
Der Brauprozess – Vom Rohprodukt bis zum fertigen Bier
Jetzt geht es ran an den Humpen – so ein Bier braut sich schließlich nicht von alleine! Das Meiste erledigt allerdings tatsächlich unsere Bierhefe für uns. Doch zuvor muss ein bisschen was vorbereitet werden.
Was wird gebraucht?
- Zwei 8l Töpfe mit Deckel
- Eine Schöpfkelle
- 24 leere Bierflaschen (0,33l)
- Ein Trichter zum Abfüllen
- Bierhefe
- ein Kronkorken-Set
- Isopropanol 99,9% zum Desinfizieren
- ein Abtropfgestell für die Bierflaschen
- 500ml Ahornsirup
- 150g brauner Zucker
- 4 Hände voll frischer Fichtentriebe
Die Grundregel, die immer eingehalten werden sollte, ist Sauberkeit! Deswegen empfehle ich wärmstens, sämtliches Equipment und auch die Hände vor dem Brauprozess zu desinfizieren.
- Zunächst sollten die frisch gesammelten Fichtentriebe grob von Schmutz gesäubert werden. Danach einfach mit kaltem Wasser waschen.
- Die gewaschenen Triebe kommen in einen sauberen, desinfizierten Topf mit 8l Wasser und werden ca. 30 Minuten lang gekocht.
- Anschließend werden sämtliche Triebe restlos aus dem Topf entfernt.
- Dem entstandenen Sud werden 500ml Ahornsirup und 150g Zucker zugeführt.
- Den Sud gut umrühren und weitere 15 Minuten köcheln lassen.
- Im Anschluss den Sud von der Kochstelle nehmen und auf Raumtemperatur abkühlen lassen.
- Die Hefe gemäß Packungsanleitung in etwas Wasser auflösen und sanft mit dem (desinfizierten) Finger umrühren.
- Wenn der Sud etwa auf Raumtemperatur abgekühlt ist, die aufgelöste Hefe beigeben und langsam umrühren.
- Den Sud nun mit geschlossenem Deckel ca. 12 Stunden gären lassen.
Nach der Ruhezeit hat die Hefe ordentlich gearbeitet, meist erkennbar an bereits aufsteigenden CO2 Bläschen. Meine Bierhefe sinkt von Natur aus auf den Boden des Topfes und bildet ein Sediment. Nun kommt der zweite Topf zum Einsatz. Das junge Bier wird nun vorsichtig mit der Schöpfkelle von der Sedimentschicht getrennt.
Je nach Hefe Art ist dieser Prozess jedoch optional. Bei Hefen, die speziell für die Flaschengärung ausgelegt sind, kann nochmal umgerührt werden, damit wieder eine homogene Masse entsteht. So ist sichergestellt, dass beim Abfüllen in jeder Flasche die gleiche Menge Hefe vorhanden ist. Ist die Menge ungleichmäßig verteilt, können einzelne Flaschen unter Umständen platzen.
Ob mit oder ohne Hefe – jetzt kann in die Flaschen abgefüllt und verkorkt werden.
Nach 3 bis 5 Tagen ist das Spruce Beer trinkfertig!
Die Flaschen sollten während der “Reifung” an einem zimmerwarmen, dunklen Ort stehen – am besten so, dass im Falle einer Flaschenexplosion nichts passieren kann. Weil ich die Lust verspürte, habe ich in der Zwischenzeit ein Flaschenlogo designt.
Nach bereits drei Tagen hat sich genügend Kohlensäure angereichert, die das Bier zu einem Genuss macht. Vor dem Servieren noch einmal ab in den Kühlschrank, denn niemand möchte warmes Bier!
Allzulange sollte das Spruce Beer jedoch nicht in den Flaschen gelagert werden. Die Hefe arbeitet in der Regel so lange, bis der Zucker vollständig umgesetzt wurde. Das führt zu einem höheren Ausstoß an Kohlenstoffdioxid, der sich in der Flasche ansammelt. Das drei Tage lang gereifte Bier wird zudem etwas süßer schmecken, als das 5 Tage lang gereifte.
Mein “Sweet Spot” lag bei etwa vier Tagen. Das Bier schmeckte nicht mehr allzu süß und die Menge an Kohlenstoffdioxid war nach meinem Empfinden genau richtig.
Geschmacklich war das Bier hervorragend! Beschreiben lässt sich das Endprodukt allerdings nur sehr schwer. Durch die Fichtentriebe bekommt das Bier eine leicht harzige Note, die allerdings keineswegs unangenehm ist, sondern eher erfrischend! Andere Hobbybrauer vergleichen das Spruce Beer mit Cola-Weizen, was ich allerdings nicht nachvollziehen kann. Durch den Ahornsirup und den Zucker hat es zwar noch eine süßliche Note, schmeckt aber eben einzigartig!
Cheers!
Früher verlief der Prozess etwas anders…
Früher wurde natürlich etwas anders und vor allem wesentlich weniger sauber gearbeitet. Der Sud wurde teils mit ganzen Fichtenzweigen abgekocht, mit Zuckerrübensirup, Zucker oder Ahornsirup versehen und in Fässer abgefüllt. Die “Fremdhefen” an den Zweigen haben dann den Brauprozess angestoßen. Das ist natürlich immer ein bisschen heikel, denn das Bier kann durch diese Hefen schnell in eine unangenehme Richtung kippen und ungenießbar werden.
Ich habe mich auch bewusst gegen Zuckerrübensirup entschieden, weil der Eigengeschmack hiervon zu dominant gewesen wäre.
Übrigens – Mit Fichtenspitzen kann man super kochen!
Fichtenspitzen eignen sich nicht nur zur Herstellung von leckerem Bier, man kann sie auch super in der Küche verwenden. Ein wirklich simples und gleichzeitig unglaublich leckeres Gericht ist Ofenlachs mit “Spruce Tips”, Pellkartoffeln und Sour Creme.
Bon appétit
Spruce Tips Ofenlachs mit Pellkartoffeln und Sour Creme. Das Spruce Beer klappt super als Getränk dazu!
Den Lachs dazu mit der Haut nach unten in eine Auflaufform geben, salzen, pfeffern, mit den Fichtentrieben übersähen und ca. 30 Minuten bei 200°C backen. Als Beilage, Kartoffeln mit Schale im Wasser kochen, bis sie gar sind. Dazu Sour Creme servieren. Fertig!
Colton White – Beaver Creek Pioneer