Ein Old West Outfitter im Portrait
Kunstvolle Lederarbeiten wie aus der Zeit des Wilden Westen
Der Ledermacher Wolfgang Oidtmann im Spotlight
Lesedauer: ca. 6 Minuten.
Sonntag, den 05. Dezember 2021
Das erste Mal sah ich im Jahr 1998 eine Abbildung von “Geronimos Gun Rig”. Ein Jahr zuvor hatte “TIME LIFE” die fantastische Dokumentation “Defiant Chiefs” veröffentlicht, eine Würdigung der Native Americans und ihrer Häuptlinge. Besonders hervorgehoben wurde in diesem Bericht der Kriegshäuptling der Apachen “Geronimo” und sein Revolver Holster für einen 7 ½“ bbl Colt, allerdings mit kurzläufiger Waffe. Die Abbildung zeigt weiterhin das entsprechende Gun Belt, sowie sein Bowie Knife mit passender Scheide.
2009 hatte ich dann meine eigenen Recherchen abgeschlossen, die Silberbeschläge anfertigen lassen und die Schnitte für “MEINE Version des Geronimo Sets” entworfen … Aber das ist eine andere Geschichte; genießt das Foto!
Geronimo Gunrig
Cowboy Accessories – damals wie heute
Das Buch “Packing Iron” (Western-Holster), von Richard Rattenbury, ist die “Leder-Bibel” für alle, die sich dem “Alten Westen” verbunden fühlen. Allerdings wird in diesem Werk nichts darüber ausgesagt, wie es in den Old West Saddleries während der Heydays der Rindertrecks zuging:
Wie kommunizierten der Sattler und seine Kundschaft? Was musste der Cowpuncher tun, um an die begehrten Sattlerei-Produkte zu kommen?
Davon erzählte mir Joe Gish. Der 2011 verstorbene Oldtimer, dessen einziger Lebensinhalt der alte Westen war, lebte bis zu seinem Tod in seinem Wohnzimmer-Museum in Fredericksburg, TX und empfing dort Ol‘ West Buffs aus aller Welt!
Richard Rattenbury – Westernholster
Der “old west cowboy” heißt heute Reenactor oder Hobbyist
Die Sattlereien waren hauptsächlich auf Sättel und Pferde-Geschirre ausgelegt, erzählte mir Joe. Als weitere Angebote hatten sie natürlich auch Holster, Sporenriemen, Chaps und den ganzen Rest der “Cowboy Accessories” in der Mache.
Wolfgang Oidtmann vor seinem Shop in Düsseldorf
Hatte also ein Drover das Geld und die Zeit, sich vor dem Rinder-Treck noch ‘aufzurüsten‘, dann war ersteinmal Kommunikation angesagt.
Die Sattler hatten nämlich so gut wie nichts auf Lager.
In ihrem Shop gab es Kleinigkeiten, wie Cuffs, Quirts oder Riemen-Ware, mitunter eventuell zum Verkauf stehende nicht abgeholte Auftragsarbeiten, denn die “Maker” arbeiteten stets aktuelle Aufträge ab!
So wie es damals war, ist es heutzutage nicht anders:
“Ich liebe es, wenn ein eingefleischter Western Reenactor in meinem Düsseldorfer Shop aufschlägt und mit mir seine Vorstellungen von z.B. einem neuen Holster diskutiert! Im Kopf hat er Bilder aus meinem Old West Outfitter Online-Katalog oder aus anderen Sachbüchern dabei und sagt mir dann exakt, welche Extras er verwirklicht sehen möchte!
Vom Schnittmuster zum fertigen Produkt: In seiner Werkstatt setzt Wolfgang Oidtmann die Anforderungen seiner Kunden um.
Von der Universalgröße zur Maßanfertigung
Nehmen wir beispielsweise das legendäre Model 1877 “Rio Grande“ Frontier Reproduction Holster aus dem Katalog #63 (1983-1984) der El Paso Saddlery (EPS). Dieses Etui ist ein schöner Beleg für ein fein gearbeitetes Tex-Mex-Holster. Es wurde von der EPS nach einem zeitgenössischen Schnitt gefertigt. Das heißt, dass dieses Holster in seinem Zuschnitt ein wenig überdimensioniert war. Dieses Teil wurde zur Zeit der Rinder-Trecks in nur EINER Größe angeboten, dementsprechend bot es Platz für etliche Revolver-Typen von verschiedenen Herstellern, erklärte mir Joe Gish.
Es war also nicht grundsätzlich für einen COLT SAA Model 1873 oder einen REMINGTON Model 1875 ausgelegt. Es sollte für möglichst viele Revolver passend sein. Das bedeutete für den Sattler weniger Arbeit bei der Produktion, denn es gab tatsächlich nur eine Größe für alle!
Vom Katalog zur Eigenadaption: Die Umsetzung eines COLT SAA Model 1873 Holsters auf Basis des Angebots der El Paso Saddlery.
Natürlich baute die EPS dieses Holster in den 1980er Jahren individuell passend für alle möglichen Revolver-Typen. Jedoch wurden der große, tiefe Zuschnitt beibehalten, als Reminiszenz an die “Good Ol‘ Days”.
Einem meiner Kunden gefiel dieses Holster, allerdings bevorzugte dieser einen etwas weniger großen Zuschnitt.
Und dann durfte ich mich wieder wie ein Old West Saddler fühlen.
Es musste ein neues Schnittmuster gefertigt werden und dabei sollte die Punzierung der Zeit um 1875 entsprechen. Worauf er jedoch besonderen Wert legte, es durfte kein Basket-Weave-Muster (wie beim EPS-Original auf dem Main-Loop) zu sehen sein, denn das war meinem Cowboy zu “modern”.
Weiterhin wollte er eine enge Passform des Holsters haben, exakt ausgelegt für einen COLT SAA Model 1873, 5 ½“ bbl!
Auch diesem Mann konnte geholfen werden!
Gute Lederarbeit braucht seine Zeit
Ein Holster zu fertigen – vom Schnittmuster über den Zuschnitt, das Punzieren, das Einfärben und das Nähen – nimmt mindestens einen halben Arbeitstag in Anspruch. Aufwändige Punzierungen oder geflochtene Nähte bedeuten nochmals mehr Zeitaufwand. Ein Gun Belt liegt im gleichen Zeit-Muster. Das Anfertigen von einem Paar Shot gun Chaps oder Bat Wing Chaps “fressen“ gut und gerne bis zu 4 volle Arbeitstage. Letztlich sollen sie nach Fertigstellung ja der Vorlage entsprechen, dem Kunden sollten sie gefallen und natürlich auch passen!
Chaps ‘At Its Best‘ – Nach Vorlage der Gish-Sammlung ©OIDTMANN
Old West Outfitter: Langjährige Erfahrung bürgt für Qualität
Mittlerweile bin ich 74 Jahre alt, habe die Sattlerei – neben meinem erlernten Beruf als Dekorateur – bei einem Düsseldorfer Sattler erlernt.
Über die Jahre war ich Inhaber von drei Firmen mit Büros in Heinsberg und Düsseldorf.
Seit rund 40 Jahren bin ich – zunächst ‘nur so‘ nebenbei, mittlerweile aber ‘nur noch‘ – im Old West Saddlery-Geschäft tätig und arbeite größtenteils mit denselben alten, verlässlichen Werkzeugen, die mir mein Lehrmeister hinterließ.
Wolfgang Oidtmann fertigt in seiner Düsseldorfer Werkstatt kunstvolle Lederarbeiten an.
Und gleich mit übernommen habe ich die Ruhe und Gelassenheit, die man in diesem Metier braucht!
Um ein akzeptables Endprodukt abzuliefern, bedarf es präziser Handarbeit und der dazu gehörigen Zeit:
“ganz wie im Alten Westen!”
See You, Folks!
Zum Schluss noch ein Buch-Tipp von mir:
“Saddleries Of Montana” (Montana’s Makers from Territorial Times to 1940), Lyndes, Reynolds and Sage, ISBN: 978-0-7643-5274-4, Schiffer Publishing, Ltd.
Dieses Buch liegt auf Augenhöhe mit “Packing Iron“; mit seinen fantastischen Informationen und Bildern hat es mich umgehauen. Übrigens ist in diesem allumfassenden Werk auch Joseph Sullivans Sattlerei, in Ft. Benton, erwähnt. Die Replik eines seiner Holster biete ich bereits seit zwei Jahren in meinem eigenen Shop an.
Über den Autor
Wolfgang Oidtmann
Wolfgang Oidtmann ist ein Düsseldorfer Geschäftsmann. Aktuell legt er den Focus auf seinen Leder-Shop.
Seine Arbeiten findet man online auf seiner Internetpräsenz old-west-outfitter.de.
Er gilt als der letzte deutsche Sattler, der konsequent in der Tradition des US-amerikanischen Westens seine hochklassigen Produkte von Hand fertigt; mit einer gleichbleibend hohen Leder-Qualität aus deutscher Herstellung; für authentische Repliken und vielerlei Gebrauchsgegenstände aus Leder.
Wenn man ihn einmal ‘Live und in Farbe‘ erleben will (außer in seinem Shop), dann findet man Wolfgang immer wieder auf den Treffen des ‘Western-Bund e.V.‘ oder dort, wo sich die ‘Oldtimer‘ des europäischen Western-Hobbys ihre Rendezvous geben und beim CAS!
Helmut Preuss
August 26, 2022 @ 9:51 pm
Hallo Wolfgang. Du kannst dich wahrscheinlich noch an mich erinnern. Helmut Preuss – Texas. Ich hab für dich das Tiertaxi gefahren, war im CSA Klub und hatte meinen Zwinger auf deinem Grundstück in Hamm.
Jetzt lebe ich seit 35 Jahren in Florida mit meiner Frau und zwei Söhnen. Erstmal habe ich für 25 Jahre Kunstmoebel entworfen und hergestellt aber jetzt arbeite ich seit fast 10 Jahren in einem großen Krankenhaus als EKG Techniker.
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