Quacksalber und Medizinshows
Von der alternativen Medizin im Wilden Westen
Lesedauer: ca. 6 Minuten.
Freitag, den 15. Januar 2021
Der Winter ist bei uns die Jahreszeit der laufenden Nase und der ständig kalten Hände. Der Schnupfen plagt uns und wir werden krank. All das ist bei Weitem nichts Außergewöhnliches und wir wissen mittlerweile sehr gut, wie wir uns wieder kurieren können. Doch wie ist man eigentlich im Alten Westen mit Krankheiten und Gebrechen umgegangen?
Sicherlich gab es zu dieser Zeit bereits praktizierende Ärzte, doch unter sie mischten sich auch die ein oder anderen Quacksalber und Scharlatane, die sich einen renommierten Ruf aufbauen konnten. Mit der Heilwirkung von Magie in Kombination mit extravaganten Zutaten, verschafften sie sich über das unwissende Volk ihren Profit.
Schließlich taten reißerische Produktnamen wie “Ägyptischer Regulierungstee” (Egyptian Regulator Tea) und Medizinshows ihr übriges, um zum Kauf anzuregen.[1]
Doch wer waren diese Männer und Frauen und wie konnten ihnen so viele Menschen auf den Leim gehen?
Großbritannien und der Quacksalber Boom in Amerika
Im 17. und 18. Jahrhundert hatten die Menschen immer noch wenig Verständnis für die Ursachen von Krankheiten. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sogenannte Patentmedizin den Markt eroberte – zunächst in Großbritannien und anschließend in den britischen Kolonien Nordamerikas. Im Gegenzug zu lokal produzierten und verwendeten Heilmitteln wurde für diese Mittel die große Werbetrommel gerührt. Teilweise mit echten königlichen Patenten versehen, schufen sie Vertrauen bei der Bevölkerung und fanden vor allem ab dem Anfang des 18. Jahrhunderts einen entsprechend großen Absatz.[2]
Bis 1830 listeten britische Parlamentsakten über 1.300 verschiedene patentierte “Medikamente” auf, von denen die meisten nach modernen Maßstäben nichts weiter waren, als das Gepansche von Quacksalbern.[2]
Während der Amerikanischen Revolution und nach dem War of 1812, verlor der Britische Markt jedoch an Einfluss in Amerika. Die entstandenen Lücken wurden allerdings schnell mit Amerikanischen Produkten gefüllt, um sich von England abzusetzen. Die goldene Ära der in Amerika produzierten Mittel befand sich dabei in den Jahren nach dem Bürgerkrieg ab 1865.[2]
Alles eine Frage des Marketings
Unter den ersten Produkten, die in Massen hergestellt wurden, fiel unter anderem “Daffy’s Elixir”. Der Erfinder des Trankes, ein englischer Pfarrer mit dem Namen Thomas Daffy, soll das Gebräu bereits im Jahre 1647 zu Papier getragen haben. Nach seinem Ableben führte seine Tochter Catherine zusammen mit einigen seiner Verwandten die Marke weiter. Das Produkt, das ursprünglich nur gegen Magenverstimmungen helfen sollte, wurde bereits zu Lebzeiten Daffy’s nach und nach weiter entwickelt, bis es schließlich gegen sämtliche Krankheiten helfen sollte. Es trug daher auch den Namen Elixir Salutis – der Trank der Gesundheit.[3]
Flasche von Daffy’s Elixir Salutis (mitte).
Als dann einflussreichere Companies die Rechte am Elixier für sich beanspruchen konnten, gelang der Durchbruch in Amerika. Die Marke wurde schließlich so berühmt, dass sie sogar in Charles Dickens Buch Oliver Twist erwähnt wurde.[3]
Die Inhaltsstoffe des Tranks halfen selbstverständlich nicht gegen die Vielzahl an Krankheiten, wie ursprünglich angepriesen und doch schaffte man einen großen Absatz in England und Amerika.
Die Zutaten eines “unwiderstehlichen Produktes”
Die meisten Tränke und Tinkturen der Quacksalber bestanden hauptsächlich aus gängigem Trinkalkohol, wie z.B. Brandy. Dieser wurde oftmals mit diversen Kräutern, Opium und in manchen Fällen Kokain vermischt.[5]
Nahm man ein solches Gebräu zu sich, verschaffte das meist eine Linderung der Symptome, da Opium bspw. wie ein starkes Schmerzmittel wirkte. Jedoch wurde damit nicht im geringsten die Ursache der jeweiligen Krankheit kuriert. Schließlich versprachen die Mixturen nicht nur gegen den “einfachen Schnupfen” zu helfen, sondern maßten sich an, auch gegen komplexe Krankheitsbilder zu wirken.[2, 3]
Vor allem der Gebrauch von Opium war zu dieser Zeit keineswegs neu, sondern fand bis in das frühe 19. Jahrhundert eine breite Verwendung, auch in der Medizin. Neben der schmerzstillenden Wirkung, half es gegen Durchfall und förderte den Schlaf.[4]
Opium im Apotheker-Behältnis (links) und als Pflanze in freier Wildbahn (rechts).
Die Nebenwirkungen einer falschen Dosierung oder eine dauerhafte Einnahme, konnten jedoch verheerend sein: Vom Gewichtsverlust durch Appetitlosigkeit, über Muskelschmerzen, konnte letztlich auch der Tod durch Atemlähmung eintreten. Es war zudem nicht unüblich, dass die Konsumenten der Tinkturen abhängig wurden. Die Einnahme konnte sich ebenfalls schwer auf die Psyche niederschlagen, einhergehend mit starken Persönlichkeitsveränderungen, bis hin zur Apathie.[4]
Der Deutsche Einwanderer William Radam, ging sogar so weit, dass er stark ätzende Schwefelsäure mit Rotwein verdünnte.
Geboren war der “Mikrobenkiller” Trank, der es laut Aussage Radams ermöglichte, “jede Art von Krankheit zu heilen”.[2, 5]
Sowohl die kurzzeitige Linderung der Beschwerden, als auch die Abhängigkeit nach Alkohol, Opium oder Kokain waren wohl Grund genug, dass die Produkte regelmäßig konsumiert wurden. Schließlich fühlte man sich nach der Einnahme tatsächlich besser und spürte ein gewisses Verlangen nach mehr von der wundersamen Medizin. Das große Erwachen kam jedoch wohl erst dann, als man merkte, dass die eigentliche Krankheit nicht verflog oder gar neue Beschwerden hinzu kamen.[5]
Die Medizinshows
In den Amerikanischen Kolonien tauchten bereits vor 1772 reisende Hausierer auf, die hauptsächlich durch ländliches Gebiet zogen, um ihre dubiosen Medikamente zu verkaufen. Im Zuge dessen wurde ein Gesetz erlassen, das ihre Aktivitäten verbat.[5]
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wechselten groß aufgemachte Shows einzelne fahrende Händler ab. Die Darbietungen wurden dabei immer spektakulärer aufgezogen und fanden nicht nur vor Verkaufswagen, sondern stellenweise auch in großen Zelten, sowie Theatersälen statt. Während der Salesman seine potente “Medizin” anpries, wurde er oftmals von Artisten und Musikern unterstützt. Das fand vor allem bei der ländlichen Bevölkerung großen Anklang, da Unterhaltung in solchem Ausmaß nur rar gesät war.[5]
Historische Darstellung von Quacksalbern. Two Rivers Privity in Beaver Creek Valley.
Die beiden größten und wohl auch erfolgreichsten Medizinshows, waren Hamlin’s Wizard Oil Company und die Kickapoo Indian Medicine Company. Die Hamlin’s Wizard Oil Company hatte dafür eigens designte Wagen mit eingebauten Orgeln und zusätzlichen Platz für Tänzer. Poster, Fyler und ausgefallene Werbesprüche taten ihr übriges.[6]
Poster von Hamlin’s Wizard Oil (1890).
Die Kickapoo Indian Medicine Company übte eine Show ein, die auf vorgetäuschten Zeremonien der American Natives zurückgriff. Falsche Repräsentanten des durchaus echten Stammes übersetzten für die Natives und verkauften “Sagwa”, die wohl bekannteste Quacksalber-Medizin seiner Zeit.[5, 7]
Wie man dem Quacksalber auf die Schliche kam
In den Niederlanden wurde im Jahr 1881 die erste Vereinigung gegen Quacksalberei gegründet, was sie zur ältesten ihrer Art machte. Die Niederlande waren auch eines der ersten Länder, die Medizin über den Staat regulierten.[2]
In den USA schrieb das Boston Medical And Surgical Journal 1875:
Wenn es Satan jemals gelungen ist, eine größere Menge an konzentrierter Verlogenheit in einen Satz Menschenkörper zu pressen, dann ist es, vor jeder anderen Beschreibung, in den Werbe-Quacksalbern.
Tinkturen mit ausbleibender Wirkung für eine Krankheit, wurden unter der Bevölkerung bald allgemein als “Snake Oil” bezeichnet. Der Begriff geht unter anderem auf Clark Stanley’s Snake Oil Liniment zurück, meint jedoch breit gefächert die wirkungslosen Elixiere der Quacksalber.[2]
Clark Stanley’s Snake Oil Liniment (ca. 1905).
Jedoch waren auch nicht alle dieser Medikamente wirkungslos. Turlington’s Balsam of Life beispielsweise hatte tatsächlich auch positive Eigenschaften. Bis in das frühe 19. Jahrhundert wurde das Medikament unter diesem Namen verkauft und ist in den britischen und amerikanischen Arzneibüchern als “Zusammengesetzte Tinktur aus Benzoin” zu finden. Man geht jedoch davon aus, dass die Entdeckung der Vorteile des Balsams lediglich ein Zufall war und erst im Nachhinein bekannt wurden.[2]
Colton White – Beaver Creek Pioneer